Brahms – Schlumpf – Müller

Brahms – Schlumpf – Müller (NEOS 21305), 2013

Johannes Brahms: Klarinettenquintett h-moll, op. 115; Martin Schlumpf: „The Five Points“ für Klarinette und Streichquartett; Matthias Müller: „In 23 Teilen“ für Streichquartett (Matthias Müller, Klarinette; Galatea Quartett: Yuka Tsuboi, Sarah Kilchenmann, Hugo Bollschweiler, Julien Kilchenmann)

Hörbeispiele

Im 2002 entstandenen Film Gangs of New York beschreibt Martin Scorsese die ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Einheimischen und den irischen Einwanderern im New York der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts. Schauplatz der blutigen Kämpfe ist die Gegend im zentralen unteren Manhattan, die »Five Points«. Diese fingerförmigen Straßenkreuzungen bilden einen wahrhaftigen Schmelztiegel der verschiedenen dort sich niederlassenden Kulturen.

In meinem Klarinettenquintett The Five Points geht es nicht mehr um mit Waffen ausgetragene Auseinandersetzungen, sondern um die formale Gestaltung im Spannungsfeld zwischen Kontrast und Analogie der fünf Sätze des Stücks – jeder mit unverwechselbar eigener charakteristischer Prägung – auch hier ein Schmelztiegel verschiedenartiger musikalischer Gestalten. Das Ganze ist vorstellbar als Promenade zwischen den fünf Ecken der »Five Points«, wo die verschiedenen Gangs ihre Standorte hatten.

Die Längen der einzelnen Sätze habe ich nach der von Leonardo Fibonacci 1202 eingeführten Fibonacci-Reihe strukturiert, bei der sich jede folgende Zahl durch Addition ihrer beiden vorherigen Zahlen ergibt. Dabei gliedern sich die Sätze so, dass vom ersten kürzesten Satz aus (55 Sekunden) die Dauern kontinuierlich zunehmen, mit Ausnahme des längsten Satzes (377 Sekunden), der an vierter statt an letzter Stelle steht. Durch die Freiheiten, die ich mir bei der Umsetzung dieses Schemas genommen habe, wird man sozusagen aus dem Idealreich der Zahlen in die profanere Realität (den Boden der »Five Points«) zurückgebracht.

Zudem werden geneigte Ohren an wenigen Stellen der letzten drei Sätze versteckte Anklänge an die Musik des Klarinettenquintetts op. 115 von Johannes Brahms von 1891 hören können. Es war mir ein Vergnügen, meine Musiksprache hie und da so »umzubiegen«, dass als Hommage an den großen Komponisten die Brahms-Allusionen (nie wird wörtlich zitiert) organisch einfließen und wieder aufgelöst werden.

Schließlich habe ich nach der Geburt meines ersten Enkels Basil im August 2012 an der Stelle, wo ich gerade schrieb (im dritten Satz), eine »glückliche« Stelle eingebaut, die auf dem Melodiefragment B–A–Es beruht.