NZZ, Mai 2013

14. Mai 2013, Alfred Zimmerlin in der Neuen Zürcher Zeitung über die UA von „Spiegelbilder“

Ein Abend an den Swiss Chamber Concerts in Zürich
Schumann- Reflexe

Visionär klingen Robert Schumanns Fantasiestücke op. 73 für Violoncello und Klavier und die «Märchenbilder» op. 113 für Viola und Klavier, denn Daniel Haefliger (Violoncello), Jürg Dähler (Viola) und Gilles Vonsattel (Klavier) haben sie geschärft, mit ganz aktuellem Ausdruck bei den Swiss Chamber Concerts in der Kirche St. Peter in Zürich in einen spannungsvollen Zusammenhang gesetzt. Mit Delikatesse eröffnete Gilles Vonsattel den Abend mit George Benjamins Klaviersolo «Shadowlines», packend war nach der Pause der Blick zurück zu einem durch und durch humorvollen Beethoven im Duett Es-Dur «mit zwei obligaten Augengläsern» für Viola und Violoncello.

Auch die beiden Uraufführungen des Abends konnten aufs Schönste in Bezug zu Schumann gehört werden. Das körperliche Espressivo von Hans Ulrich Lehmanns «Without Words – seven songs for viola and piano» (2011): Wirkt es nach den Fantasiestücken nicht wie ein Reflex der Gestik Schumanns? Lehmanns Musik spricht; man mag spüren, dass im Hintergrund verborgene Gedichte stehen. Stärker wirkt ein atmendes Parlando der Bratsche, das vielfach auf die Register und Farben des Instruments verteilt ist und mit aller Klarheit seinen Weg geht: immer überraschend und einen ergreifend. Das Klavier schafft dazu einen transparenten Klangraum, unterstützt den Atem des Bratschengesangs, orchestriert mit erlesenen Farben. Am meisten berührt, wie Lehmann anderthalb Jahre vor seinem Tod im Januar 2013 seine Ausdrucksmittel grundsätzlich hinterfragt und sich mit stupender Sicherheit für ihn neuer Ausdrucksräume bemächtigt. «Without Words» wirkt wie ein später Neuanfang – fabelhaft haben Jürg Dähler und Gilles Vonsattel das vermittelt.

Am Schluss eine zweite Uraufführung: In Martin Schlumpfs «Spiegelbildern» (2012/13) für das umwerfend gute Trio Dähler, Haefliger, Vonsattel blitzen Schumannsche Momente auf; ein Hör-Blick durch ein Prisma, das einen das von den «Märchenbildern» ausstrahlende Licht vielfach gebrochen in neuen Farben, erfüllt mit neuem Leben, wahrnehmen lässt. Wie vital klingt diese Musik, wie raffiniert und eigen wird mit den sich überlagernden Zeiten umgegangen. Auch stilistisch. Schlumpf versteht es, Brücken zwischen Schumanns Lebhaftigkeit und der Energie des Jazz zu schlagen, ohne dass man dies als Bruch empfindet. Mit Schumannscher Melancholie nimmt das Werk Abschied von den Zuhörenden.